Der Vorleser

Der Vorleser

1892/1910 - 1936

Seiten

Rezension der Neuen Freien Presse

Das jüngst erschienene Heft einer deutschen Revue enthält einen Münchener Kunstbrief des Dr. M. G. Conrad, der die »Weber«-Rezitation des jungen Wiener Literaten Karl Kraus überaus anerkennend hervorhebt, es heißt dort unter anderm: »Eine rühmliche That haben wir wiederum dem unermüdlich strebsamen »Akademisch-dramatischen Verein« zu verdanken: die Vorlesung des  Hauptmannschen Meisterwerkes »Die Weber«. Der Vorleser [unser wertgeschätzter Mitarbeiter] Karl Kraus aus Wien, bewältigte die schwierige Aufgabe mit ungemeinem Talente.

Rezension der Grazer Tagespost

[...] Der durch jahrelanges Totgeschwiegenwerden so weithin bekanntgewordene, also eigentlich lebendiggeschwiegene Herausgeber der roten Fackelhefte hat, wie in anderen Städten, auch hier seine Vorlesung abgehalten. Wie in anderen Städten so auch hier vor gesteckt vollem Saal und unter nicht endenwollendem Beifall, wobei das »Nichtendenwollen« ausnahmsweise keine Zeitungsphrase ist, die ihren Kraus verdient: er las über zweieinhalb Stunden und es war den Leuten noch zu wenig, man wollte ihn einfach nicht mehr weg lassen [...]

Signatur: 
L-137743, H.I.N.-202689

Rezension des Berliner Tageblatts

Karl Kraus, der Herausgeber der Wiener ‚Fackel‘ stellte sich uns gestern abend auf Einladung des Vereins für Kunst im Salon Cassirer zum ersten Male als Redner vor. Dieser Mann, der mit der Flamme in Wahrheit auf du und du steht, erschien am Vortragspult als ein kleinerer, glattrasierter Herr, der durch seine goldene Brille sehr gutmütig und harmlos ins Publikum blickte. Freilich, mit dem ersten Wort ändert sich der Eindruck. Karl Kraus ist ein ungeheuer nervöser, energischer Sprecher, ein Autor, der seine Gedanken im Vortrage noch einmal erzeugt, ein Pointeur ersten Ranges.

Rezension der Vossischen Zeitung

Vorlesung Karl Kraus. Ein Wiener »Raunzer« hat gestern im Verein für Kunst gelesen — einer von denen, deren Raunzerei Kraft genug hat, um allgemach die lokalen Schlagbäume zu überschreiten und sich zur Weltraunzerei auszuweiten. Der Ausdruck ist rein wienerisch gleichwie der Typus. Wir haben sie auf norddeutschem Boden nicht, diese schmälenden, scheltenden, angriffslustigen und doch so scheuen Naturen.

Rezension des Berliner Lokalanzeiger / Der Tag

Im Verein für Kunst las gestern abend Karl Kraus, der bekannte Wiener Publizist, eine Reihe von Aphorismen vor, die zwei jüngst erschienenen Bänden (?) entnommen waren. Es ist nicht so ganz leicht, eine große Anzahl Aphorismen hintereinander zu hören, selbst wenn sie zum größten Teile frappant und geistreich sind, gut vorgelesen werden und die Sinnesart eines ungewöhnlichen Mannes in sprunghaften Reflexen zu enthüllen scheinen. Wie Bälle, die man nicht zurückwerfen kann, füllen sie uns die Arme; aber wenn man später zusieht, sind die meisten auf rätselhafte Weise wieder fortgeflogen.

Rezension des Berliner Börsen-Couriers

Vor dem Verein für Kunst erschien gestern abend im Salon Cassirer eine interessante Wiener Persönlichkeit, der Herausgeber der ‚Fackel‘, Karl Kraus. Er las zuerst eine Reihe von Aphorismen vor. Sie frappierten durch ihre Eigenart, ihre originelle Bizarrerie, vielfach durch ein Wetterleuchten des Tiefsinns, dem man nur in der Eile nicht gleich nachgehen konnte. So war es anfangs. Dann beging aber Kraus einen seltsamen, einen unbegreiflichen Fehler: er gab das Geheimnis seiner Kunst preis, er enthüllte seine »Mache« wie ein Taschenspieler, der das Wie seiner Tricks dem Publikum aufdeckt.

Rezension der Zeit am Montag

Ein Kulturkämpfer. In Wien kämpft seit über zehn Jahren mit fast übermenschlicher Kraft und Ausdauer ein Mann gegen alles das, was der Durchschnittsmensch der Gegenwart »Kultur« nennt. Er gibt eine Zeitschrift, ‚Die Fackel‘, heraus, ein Organ, das — fast ausschließlich vom Herausgeber selbst geschrieben — an Kühnheit und Selbständigkeit seinesgleichen sucht.

Rezension der Deutschen Tageszeitung

Karl Kraus aus Wien, der Fackel-Kraus, von dessen eigenartigem Schaffen und Wesen wir unsere Leser nicht ungern wiederholt unterrichtet haben, las am Donnerstag im Kunstsalon Cassirer Aphorismen und Satiren vor. Die sehr elegant in Stahl gearbeiteten Gedanken des Wiener Gastes, lauter mit Dynamit gefüllte Kunstwerke, wirken vom Katheder aus nicht mit der dämonischen Gewalt, die sie auf den Leser ausüben. Nur die gröberen, die handgreiflichen Pointen zünden, und das ist in unserem Fall schade, weil sie kein klares Bild des Verfassers geben.

Rezension der Arbeiter-Zeitung

Vorlesung Karl Kraus. In einem vom Akademischen Verband für Literatur und Musik veranstalteten Abend trat Dienstag abends Karl Kraus, der Herausgeber der ‚Fackel‘, als Vorleser auf. Kraus, der sicherlich zu den stärksten schriftstellerischen Talenten Wiens zählt, ist hier, soweit die Öffentlichkeit durch die Zeitungen repräsentiert wird, fast unbekannt; aber aus seiner teils selbstgewollten, teils aufgedrungenen Einsamkeit übt er dennoch starke Wirkungen aus. Er las zuerst einen ungedruckten Essai: Heine und die Folgen.