Karl Kraus ca. Emil Ludwig

Wien, Berlin
07.08.1931 – 22.01.1932

[165.] Im August 1931 brachten Kraus und Samek durch ihren Berliner Anwalt Willy Katz gegen den Schriftsteller Emil Ludwig eine Ehrenbeleidigungsklage ein. Ludwig hatte in seinem Buch "Geschenke des Lebens" Kraus allgemein verdächtig gemacht - "als Charakter verliert er die Partie" -, ihn aber insbesonders durch die Unterstellung von Reklamesucht schwer beleidigt. Da hieß es etwa, dass Kraus "wenn er Geld für arme Menschen und Tiere hergibt, es auf jedes Plakat und auf jede Nummer seiner Zeitschrift schreibt". (165.1.)

Samek stellte Katz gegenüber klar, dass eine selbstverständliche Verpflichtung darin bestehe, Spenden - auch die anderer - auszuweisen, dass es sich um mit grösster Genauigkeit durchgeführte statistische Ausweise handle, die den ethischen Sinn hätten, für andere Menschen richtungsweisend zu wirken. Er war sich bewusst, dass diese Klage bei den Richtern kein Verständnis finden könnte und wollte nur klagen, wenn nach Katz' Meinung die Aussicht auf einen sicheren Erfolg gegeben sei. (165.1.)

Katz erwiderte, dass sich der Ausgang einer Beleidigungsklage für den Berliner Prozessbetrieb nur selten voraussagen lasse, er glaube aber, dass eine starke Chance bestehe, den Prozess erfolgreich durchzuführen: "Garantieren kann ich das aber nicht." (165.2.) Tatsächlich wies das Amtgericht Berlin Mitte die Klage im Dezember 1931 auf Kosten des Klägers zurück:

Da die Darstellung von Kraus bei Ludwig in Form einer Gegenüberstellung mit Peter Altenberg erfolgte, der dem Autor offenbar besonders sympathisch war, sei Ludwig sich einer daraus ergebenden Beleidigung von Kraus nicht bewusst gewesen, ja die Ansicht einer Beleidigung habe ihm völlig ferngelegen: "Infolgedessen bestand kein Anlass gegen den Beschuldigten strafrechtlich einzuschreiten [...]. Jeder richterliche Eingriff hätte das freie schriftstellerische Schaffen des Beschuldigten über Gebühr eingeengt und beschwert. Endlich enthielt die Schilderung auch keine Formalbeleidigung des Privatklägers." (165.12.) Auch Kraus' Beschwerdeantrag gegen diesen Beschluss wurde zurückgewiesen.