Vorlesungsprogramm Karl Kraus

Transkription: 

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Ouverture: Bach, Präludium G-moll.

I. Szenen aus König Heinrich VI.

von Shakespeare. Übersetzt von A. W. von Schlegel

1. Teil, II 4 (Die Grafen von Somerset, Suffolk und Warwick, Richard Plantagenet, Vernon und ein anderer Rechtsgelehrter.)

2. Teil, III 2 (Zwei Mörder, Suffolk, König Heinrich, Königin Margaretha, Kardinal Beaufort [Bischof von Winchester], Somerset, Warwick, Salisbury, Volk.)

IV 8 (Cade, Buckingham, der alte Clifford, Volk)

3. Teil, I 4 (York, Margaretha, Clifford, Northumberland.) 

II 5 (König Heinrich, Ein Sohn der seinen Vater umgebracht hat, Ein Vater der seinen Sohn umgebracht hat.)

Weglassungen vorbehalten.

Zehn Minuten Pause.

II. Das Notwendige und das Überflüssige

von Johann Nestroy.

(Nach den »Beiden Nachtwandlern« vom Vorleser bearbeitet. Musik nach dessen Angabe.)

Personen: Lord Wathfield; Lord Howart, Bräutigam von dessen Tochter; Sebastian Faden, ein armer Seilerer; Fabian Strick, sein Geselle; Pumpf, ein Bandelkramer; Hannerl, seine Schwester, eine Wäscherin, Stricks Geliebte; Herr von Brauchengeld, ein zugrundgegangener Rentier: Mathilde, Emilie, seine Töchter; Therese, deren Stubenmädchen; Amtmann Geier; Rasch, Schloßinspektor; Anton, Georg, Bediente; Gäste; Wächter.

1836 entstanden. Eine Zauberposse, welche die Geisterwelt Raimunds aus eigenen und geistigeren Mitteln herstellt und den Apparat entbehrlich macht, indem sie nur mit dem Glauben der Menschen an Geister arbeitet und allen Zauberspuk aus der Wirklichkeit bezieht. Sebastian Faden, ein armer Seilermeister, ist Nachtwandler. Er ist in das Zimmer der Geliebten seines Gehilfen Fabian Strick geraten und wird deshalb von seiner eigenen Braut wie von dem Gehilfen selbst verlassen, der auch seine Geliebte im Stich läßt. Das Nachtwandeln aber, das ihn so ins Unglück gebracht hat, schlägt ihm alsbald wieder zum Heil aus. Denn er hat sich damals auch in ein Zimmer des Gasthofes verirrt, wo gerade eine Gaunerbande eingebrochen ist, um den reichen Lord Howart, den neuen Gutsherrn, zu berauben. Die Gauner entfliehen, da sie Faden durch das offene Fenster einsteigen sehen, sie halten ihn für einen Geist, und der Nachtwandler wird zum Lebensretter des Engländers. Lord Howart beschließt, sich dem Seiler, dessen Elend ihm bekannt wird,dankbar zu erweisen und ihn glücklich zu machen. Lord Wathfield (ein
altmodisch gekleideter Herr, der eine Zopfperücke trägt) bezweifelt, daß dies gelingen könne. »So versuchen Sie’s«, sagt er, »öffnen Sie der Begierde eines Menschen das Tor der Erfüllung, und Sie werden sehen, welch ein unabsehbares Heer von Wünschen er hereinsendet, und dann ist es erst noch die Frage, ob er sich dabei glücklich fühlt.« Lord Howart aber läßt sich von seinem Entschluß nicht abbringen und gelobt, Malvina, Wathfields Tochter, nicht eher seine Gattin nennen zu wollen, als bis er den armen Teufel zu einem glücklichen Menschen gemacht habe. Die Wette wird geschlossen, und die beiden Engländer treten dem Faden als höhere Wesen entgegen, bereit, alle seine Wünsche zu erfüllen: solange er sich damit begnüge, das Notwendige zu verlangen.
Nun führt die Handlung die Stufenleiter der wachsenden Begehrlichkeit empor, bis sich der Beglückte endlich so weit versteigt, das Überflüssige zu fordern. Denn Faden hat sich in die Tochter eines Bankrotteurs verliebt, die ihn zu maßlosen Zumutungen an die vermeintlichen Geister aufstachelt, und der Glückspilz erwartet schließlich die Befriedigung der närrischesten Laune … Die in einem tiefen Sinn fadenscheinige Handlung läßt auch in den eingewirkten Liebesepisoden bis auf den Grund blicken, wo alle menschlichen Niedrigkeiten wohnen. Sie wird aus der Fülle einer fast schemenhaften Einfachheit zu einer Steigerung getrieben, die, wie in Shakespeares Timon, in einer grandiosen Tafelszene gipfelt, nur daß dort die Erkenntnis ihr Strafgericht hält, hier aber die Verblendung gebüßt wird.
Faden und sein Gehilfe Strick, der sich im Glück wieder zu ihm gesellt hatte, werden in ihre alte Armut verstoßen und kehren, für den Schmerz des jähen Wechsels von den Wohltätern noch entschädigt, in ihre früheren Lebens- und Liebesverhältnisse zurück. — Die Wiener Volksbühne hat kein Drama, das sich dieser Posse vergleichen könnte. Sie ist deshalb seit 1836 - mit Ausnahme der Darstellung im Carltheater-Zyklus von 1881 - nicht aufgeführt worden.

Einlage: Das Lied des Federl aus »Papiere des Teufels«.

Begleitende Musik: Dr. Viktor Junk.

Der volle Ertrag für die Wiener Freiwillige Rettungsgesellschaft.

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Signatur: 
H.I.N.-239610