Rezension der Münchener Zeitung

Sein Auftreten hat etwas Scheues, Zaghaftes, aber wenn er erst darüber hinweg ist, dann trägt er mit scharfer Pointierung, vielem Temperament und einer klaren, klingenden Stimme vor. Seine Satire richtet sich gegen alles, was an unserer Kultur schief und faul ist. Sein Witz trifft mitten ins Herz der Dinge, und von seinem Geiste geformt, gewinnt das Gewagteste eine bestechende Form. Aber — man sollte nicht so viel davon zu hören bekommen. Und manches, wie der große Essay »Die chinesische Mauer« — ein gewaltiger Panegyrikus auf die chinesische, moralinfreie Kultur — eignet sich überhaupt nicht für den Vortrag, da es selbst dem beweglichsten Geiste nicht möglich ist, diesen wie ein Wolkenbruch niederprasselnden, sich überkugelnden, verschlingenden und wiedergebärenden Gedanken, Bildern, Assoziationen und Konklusionen ohne Ermüdung bis zum Schlusse zu folgen. Ganz abgesehen davon, daß Kraus hier dem von ihm nach Verdienst zerzausten Harden zuweilen doch ganz bedenklich nahe kommt. Und wer sich selbst manchmal in ein Glashaus verirrt, sollte nicht mit Steinen werfen. Am besten gefiel die Mehrzahl der funkelnden Aphorismen und die glänzende Abfuhr Hardens ....

[Münchener Zeitung, zitiert in: Die Fackel 313-314, 31.12.1910, 48] - zitiert nach Austrian Academy Corpus