Rezension des Mannheimer Tageblatt

[...] Es ist kaum möglich, eine Formel für die Erscheinung dieses zornmütigen Lichtsuchers und Lichtbringers zu finden, der auf den sehr bürgerlichen Namen Karl Kraus hört, — einen Namen, den gewiß Hunderte außer ihm führen und der seit fünfzehn Jahren wie ein Kampfruf klingt. Ein Satiriker? Nein! Ein Volkserzieher! [...] Er hatte das wundervolle Instrument seiner Sprache — und seit ein paar Jahren reißt er zu den Wirkungen des gedruckten Wortes auch die des gesprochenen an sich. Die jungen Menschen in Österreich gehören fast alle ihm. Man weiß, daß die Zeitungen sich ihm verschließen, über Vereinbarung seinen Namen nicht nennen. Er braucht sie nicht. Über sie hinweg, ihrer spottend, hat sich seine ungeheure Kraft den Weg gebahnt. Man konnte ihn ignorieren. Seine Macht wuchs daran. Viele hassen ihn. Viele fürchten ihn. Viele nennen ihn böse und ungerecht. Mag sein. Nur ist es seltsam, daß er sich dann immer der Enterbten angenommen hat. Er ist, so scheint es mir, heute der notwendigste Mensch in Österreich. L. Andro.

[Mannheimer Tageblatt, 14.02.1914 zitiert in: Die Fackel, 395-397, 28.03.1914, 40] - zitiert nach Austrian Academy Corpus

 

Datum: 
14.02.1914