Der Vorleser

Der Vorleser

1892/1910 - 1936

Seiten

Erinnerung von Ruth Seydewitz

„Auf die Bühne kam ein kleiner, nicht sehr bedeutend aussehender Mann..., er warf auch kaum einen Blick in den überfüllten Saal, als ob er die Zuhörer geradezu als lästig empfände. Ohne Gruß, ohne Einleitung begann er zu lesen. Es war, als würden glühende Kohlen über mein Haupt geschüttet, so ergriff mich die Stimme. [...]“

[Ruth Seydewitz, Alle Menschen haben Träume, Meine Zeit - Mein Leben, Berlin 1976, zitiert nach: Friedrich Pfäfflin (Hg.), Aus großer Nähe. Karl Kraus in Berichten von Weggefährten und Widersachern, Göttingen 2008, 219]

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Erinnerung von Berthold Viertel

Karl Kraus, der Vorleser, wird jeden, der ihn vorher nur gelesen und nicht lesen gehört hatte, überraschen. Nicht daß er anders wäre, als man ihn sich vorstellen muss – als er ist! Aber die Energie, die Konsequenz der Durchführung überbietet auch den kühnsten Vorsatz, den der Leser im Geiste seines Autors gefaßt hatte. So wenig ist dieses Pathos gegen die Skepsis der Zeit gedeckt. Kein Burgtheater würde heute diese ungebrochene Tonfülle wagen, die ein Redner ohne Bühne und Kothurn erklingen läßt.

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Erinnerung von Friederike Hagel

Wenn der einsame Vorleser auf dem Podium seine seltsamen Spiele agierte, war außer Miene und Stimme die Gebärde seine treueste Helferin. Natürlich waren es vor allem die Hände, die spielten und die Szene schufen. Sie lösten z.B. abtretende Personen mit einem Wink nach hinten in Nichts auf […] Sie zeichneten den Hintergrund der Szene […]. Sie spielten (als Hände) mit, suchten als Lears verzweifelte Hände, nach hinten tastend, den hilfreichen Narren oder flehten wie verholzte Altershände, ohne die Finger zu krümmen, um Cordelias Erbarmen.

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Erinnerung von Georg Knepler

In den Offenbach-Vorlesungen von Karl Kraus stand das Wort im Mittelpunkt, der Gesang an zweiter Stelle, ja, das Singen wurde sogar – sei das nun richtig oder falsch für Offenbachs Musik – mit einer bestimmten Verachtung behandelt.

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Erinnerung von Fritz Lang

Ich wurde in dieser Zeit ein begeisterter Anhänger des Schriftstellers Karl Kraus, besuchte all seine öffentlichen Vorlesungen und verschlang mit Begeisterung die von ihm herausgegebene rot eingebundene Fackel . In der verlängerten Kärntnerstraße, zwei Häuserblöcke über den Ring hinüber, war die Buchhandlung Richard Lányi, bei dem man die Fackel erstehen konnte, und der von mir ein gezeichnetes Porträt von Karl Kraus erwarb, das er als Ansichtskarte herausgab. Karl Kraus hat mir dieses Porträt nie vergeben, er war ein sehr eitler Mensch.

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