Der Vorleser

Der Vorleser

1892/1910 - 1936

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Rezension des Mährisch-schlesischen Korrespondenten

....Abermals gedrängt voll ....Kein Wort geht aus seinem Munde verloren. Und seine Vortragsweise umfaßt alle Tonleitern eines durchgeistigten Sprechens. Vom ersten Auftakt in die spöttische Pointe, von der amüsierten Gutmütigkeit bis zur gellen, beinahe tragisch-ernsten Groteske. Und dabei hat diese Stimme einen so ergreifenden Klang. Ferne, verborgene Schönheit läßt sie manchmal ahnen, Schönheit, die sich gepanzert hat und dennoch jubelnd hinter herabgelassenem Visier triumphiert ....Aus allem der Grundton seines heiligen Zornes:der Kampf gegen die Banalitäten Wiens und Österreichs.

Signatur: 
L-137743

Rezension des Grazer Volksblatt

Eine eigenartige Persönlichkeit hat sich Sonntag den Grazern vorgestellt, Karl Kraus, der gefürchtete Herausgeber der ‚Fackel‘. Ist einer der modernsten Schriftsteller. Und doch wird er von der fortschrittlichen Presse totgeschwiegen. Er hat das fluchwürdigste Majestätsverbrechen begangen, er hat gelästert wider den Götzen der freisinnigen Intelligenz, er hat die allmächtige ‚Neue Freie Presse‘ bekämpft! Sich diesen Kampf zur Lebensaufgabe gemacht … Glaubt nicht an Heinrich Heine!!

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L-137743

Rezension des Grazer Volksblatt

Der zweite Kraus-Abend enttäuschte … die Ursache »Presse« für das Aussterben von Wald und Schmetterlingen, die merkwürdig aufgeregte Entrüstung über die Bauernfeldpreisverteilung und viel Empörung über Dinge, die natürlich und klar sind; entweder der Pflicht des Journalisten oder den Wünschen der Leser entsprechen, die doch schließlich außer den Lehren von Karl Kraus-Größen auch ein wenig berücksichtigt werden möchten. Denn streng genommen, ist die Presse doch für die Leser da und nicht für die ‚Fackel‘?

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L-137743

Rezension des Prager Tagblatt

Karl Kraus ist Freitag zum drittenmal als Vorleser nach Prag gekommen und von einem Kreise ausgewählter Intellektueller mit Begeisterung empfangen worden. Diesmal setzte er die Vorlesung aus eigenen Werken an den Schluß des Abends und begann mit Shakespeares »Timon von Athen«. Die Kunst des Wortes, die hier scheinbar losgelöst von der eigenen Produktion des Rezitators und im Dienste eines Fremden sich zu entfalten hatte, diente im Wesen doch Kraus’ eigener Persönlichkeit.

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L-137743

Rezension des Deutschen Abendblatt

Zuerst langweilte er eine Stnnde lang durch die Vorlesung einiger Szenen aus »Timon von Athen« u. vermittelte dabei die wertvolle Erkenntnis, daß die Athener im Dialekte der Jitschiner Handelsleute zu sprechen pflegten. Dann sagte er ein Kapitel aus dem »Kampaner Tal« im pathetisch-verständnislosen Tonfalle eines arroganten Sekundaners auf und las zuletzt eigene Geistesblitze. Zum Beispiel: daß die Oster- nummer des ‚Neuen Wiener Tagblatt‘ einen sehr großen Umfang habe. (Bewegung.) Schließlich nannte Herr Kraus die ‚Neue Freie Presse‘. Alles lachte.

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L-137743

Rezension der Reichspost

.... Man kann sich in Wien nicht mehr darauf verlassen, daß der große Musikvereinssaal vor Überfüllung sicher ist, wenn er eine von der Großpresse totgeschwiegene Veranstaltung beherbergt. Man konnte es gestern neuerlich staunend konstatieren: Die Mißachtung der Börseanerpresse ist sogar tief in jene Bevölkerungsschichten vorgedrungen, deren Gesichtszüge eine solche Gegnerschaft und innere Freiheit nicht im mindesten ahnen lassen. Karl Kraus also hielt im Großen Musikvereinssaal, der gestern viel zu kleine war, die Gedenkrede: »Nestroy und die Nachwelt«.

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L-137743

Rezension der Wiener Mittagszeitung

(Vorlesung Karl Kraus.) Es war nicht die erste. Vielmehr in dieser Saison allein bereits die fünfte, die der streitbare Satiriker als Gast des akademischen Verbandes gehalten hat. Die ungewohnte Methode dieser Veranstaltungen, die sich sozusagen lediglich von innen heraus vollziehen, hat bis jetzt die Presse auch als Referentin ferngehalten. Heute, da diese Rezitationen zur Institution geworden sind, wäre ein weiteres Schweigen deplaciert. Schon der unleugbar eminenten künstlerischen Bedeutung dieser Abende gegenüber.

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L-137743