Publikum

Der Vorleser

1892/1910 - 1936

Seiten

Rezension der Pfälzischen Rundschau

Die Karl Kraus-Morgenfeier am gestrigen Vormittag war, was den kläglichen Besuch anbetrifft, eine Blamage für Mannheim, für die wenigen Teilnehmer war die Feier jedoch ein hoher geistiger Genuß. [...] Aus dem Pathos, mit dem er vorträgt, aus dem sich steigernden Stimmaufwand, mit dem er seine Anklagen hinausschleudert, lodert innere Glut, heftigster Ingrimm, überzeugtester Glauben. Eine überaus starke Persönlichkeit zweifellos, deren überragende geistige Überlegenheit sich jedem, der ihn hörte, mitteilte und die sich jedem als ein Charakter von ungewöhnlicher Qualität einprägt. -r.

Rezension der Neuen Zürcher Zeitung

— — — und kaum ein Stück ging ohne Beifall vorüber, der sich stellenweise sogar zu ungewöhnlicher Stärke verdichtete. — — — Humoristisches, besser: Satirisches — ja, gewiß, das haben auch Andere schon vom Podium aus vorgetragen; aber was hatte das alles zu tun mit dieser Satire, die Dolche und Damaszenerklingen lacht, und die zu AnkIagereden eines Weltrichters emporschwillt. Man denke nur an die ungeheure, hinreißende Steigerung in dem Stück »Die Schuldigkeit«, wo der Mühlstein gewissermaßen beschworen wird, daß er seine Schuldigkeit tue.

Rezension der Chronique Zurichoise

La septième soirée du Cercle littéraire de Hottingen a été une déception pour beaucoup de gens. M. Karl Kraus, l’humoriste viennois qui rédige seul une petite feuille satirique, Le Flambeau, a lu quelques pages de ses œuvres. On a sans doute beaucoup ri et fort applaudi M. Karl Kraus, car il est un diseur émérite qui mime positivement chaque trait de ses propos. Mais ce qui a frappé c’est la pauvreté du fond. Ces articles sont amusants à lire en prenant son café et en fumant un cigare: aIors on peut se divertir des coq-à-l’âne et excentricités qui les émaillent.

Rezension der Heidelberger Neuesten Nachrichten

[...] aus der Banalität des Ereignisses löst Kraus den Anlaß, die Zeit neu zu sehen. Er legt die Welt auf den Seziertisch, und ihn ergreift die Scham, auf eine Erdkugel verschlagen worden zu sein, die vor seinen Fußtritten schon längst hätte desertieren müssen. [...] Immerhin, Karl Kraus macht, daß es dennoch eine Lust sein kann, zu leben. Sein Zorn und sein Haß schenken manchen geborstenen Glauben zurück, und das Gelächter, mit dem er uns begnadet, entspringt zwar tiefstem Leiden, aber es ist von solcher Erhabenheit, daß es befreit [...].

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Rezension des Neuen Mannheimer Volksblattes

[...] gehört zu jener Sorte von bequemen Zeitkritikern, die daraus ein Geschäft machen, die ganze Welt hundsmiserabel zu finden, deren Arbeit aber mit der von möglichst vielen Witzeleien durchsetzten Feststellung, daß alle irdischen Zustände erbärmlich schlecht seien, ihren endgiltigen Abschluß finden. Verbesserungsvorschläge werden unterlassen, weil Aufbauen viel schwerer ist als niederreißen. [...] Daß dabei staatliche und kirchliche Institutionen vor allem als Zielscheibe seiner oft billigen Witze dienen müssen, ist bei einem Kritiker vom Schlage der ‚Fackel‘ seIbstverständlich.

Rezension der Neuen Züricher Zeitung

Karl Kraus rennt auf das Podium, und sofort schwirren Schwerter und Messer in der Luft. Auf welche Seite stellt er sich im Kriege? Welche Frage! Nicht auf die Seite aller Deutschsprechenden, aber auf die Seite der deutschen Sprache, die sich bei jedem Wort ihre Sache denkt. Höre man, wie er ohne die Zugabe eines eigenen Wortes etwa folgendes sagt: »Pater noster« heißt ein Liftaufzug, »Bethlehem« ist ein Ort in Amerika, in dem sich eine Munitionsfabrik befindet. Man hört es an wie eine Begriffsdämmerung.

Signatur: 
L-137743
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