Publikum

Der Vorleser

1892/1910 - 1936

Seiten

Rezension der Zeit am Montag

Ein Kulturkämpfer. In Wien kämpft seit über zehn Jahren mit fast übermenschlicher Kraft und Ausdauer ein Mann gegen alles das, was der Durchschnittsmensch der Gegenwart »Kultur« nennt. Er gibt eine Zeitschrift, ‚Die Fackel‘, heraus, ein Organ, das — fast ausschließlich vom Herausgeber selbst geschrieben — an Kühnheit und Selbständigkeit seinesgleichen sucht.

Rezension der Deutschen Tageszeitung

Karl Kraus aus Wien, der Fackel-Kraus, von dessen eigenartigem Schaffen und Wesen wir unsere Leser nicht ungern wiederholt unterrichtet haben, las am Donnerstag im Kunstsalon Cassirer Aphorismen und Satiren vor. Die sehr elegant in Stahl gearbeiteten Gedanken des Wiener Gastes, lauter mit Dynamit gefüllte Kunstwerke, wirken vom Katheder aus nicht mit der dämonischen Gewalt, die sie auf den Leser ausüben. Nur die gröberen, die handgreiflichen Pointen zünden, und das ist in unserem Fall schade, weil sie kein klares Bild des Verfassers geben.

Brief Hans Winge an Karl Kraus

"[...] Wir sind, um Ihrer Sonntag-Vorlesung beiwohnen zu können, von Berlin hierher gekommen und können es nicht unterlassen, Sie im Namen vieler Berliner Gesinnungsfreunde zu bitten, doch endlich wieder auch in Berlin zu lesen! [...]"

Signatur: 
H.I.N.-242652
AutorInnen: 

Rezension der Arbeiter-Zeitung

Vorlesung Karl Kraus. In einem vom Akademischen Verband für Literatur und Musik veranstalteten Abend trat Dienstag abends Karl Kraus, der Herausgeber der ‚Fackel‘, als Vorleser auf. Kraus, der sicherlich zu den stärksten schriftstellerischen Talenten Wiens zählt, ist hier, soweit die Öffentlichkeit durch die Zeitungen repräsentiert wird, fast unbekannt; aber aus seiner teils selbstgewollten, teils aufgedrungenen Einsamkeit übt er dennoch starke Wirkungen aus. Er las zuerst einen ungedruckten Essai: Heine und die Folgen.

Brief Henriette Cleve an Karl Kraus

Entschuldigung für ihr Nichterscheinen bei der letzten Berliner Vorlesung wegen Krankheit ihres Sohnes und Bericht über das zunehmende Interesse des Frankfurter Schauspielhauses an "Die Unüberwindlichen" und des Mainzer Stadtheaters an "Madame L'Archiduc"

"ich war schon reisefertig" [Incipit der Unterlage] 

Signatur: 
H.I.N.-238922
AutorInnen: 

Rezension der Münchener Zeitung

Sein Auftreten hat etwas Scheues, Zaghaftes, aber wenn er erst darüber hinweg ist, dann trägt er mit scharfer Pointierung, vielem Temperament und einer klaren, klingenden Stimme vor. Seine Satire richtet sich gegen alles, was an unserer Kultur schief und faul ist. Sein Witz trifft mitten ins Herz der Dinge, und von seinem Geiste geformt, gewinnt das Gewagteste eine bestechende Form. Aber — man sollte nicht so viel davon zu hören bekommen.

Rezension der Münchner Neuesten Nachrichten

Karl Kraus erschien gestern abend zum erstenmale im Jahreszeitensaale und las aus seinen Schriften vor. Seine plastische Art zu sprechen, gab den Dingen Relief, und die baritonale Wienerische Färbung störte nur anfänglich. Die Gedankenketten und Erkenntnisse, die Kraus zutage fördert, sind zu bedeutend, als daß man sie sich durch irgendwelche Landesfarben maseriert vorstellen möchte. Nach der grotesken Paraphrase »Die Welt der Plakate« rezitierte Kraus einiges aus den Aphorismen. Das geschah mit Einfachheit, aber auch ohne die Pose der Schlichtheit.