Der Vorleser

Der Vorleser

1892/1910 - 1936

Seiten

Rezension des Vorwärts

Karl Kraus las aus seinen Dichtungen an zwei Abenden für die hungernden Wiener Kinder. Gestern im Meistersaal. Vor einer dichtgedrängten Masse. Und es gehört zum Bilde, zu sagen, daß sie ganz aus den jungen Lebensaltern bestand. Also: die Generationen der nächsten Zukunft drängen sich nach seinem Wort. Und dies Wort ist Sonnewollen und Frühlingsbegehren, und es ist Bruch mit dem, was gestern übermächtig war, auffliegender Helldrang und schonungslos richtender, hinrichtender Bruch.

Rezension der Vossischen Zeitung

Karl Kraus, der Mann der Wiener »Fackel«, las im Bechsteinsaale vor einem Kreise treuer Hörer. Ihrem Enthusiasmus bot er zwei Akte aus Hauptmanns »Webern« und den Epilog seiner eigenen Kriegsdichtung »Die letzten Tage der Menschheit«.

Rezension der Münchener Post

Vorlesung Karl Kraus. Am Donnerstag abend hatte der Münchener Verleger Kurt Wolff eine Anzahl Gäste zu einer Karl Kraus-Vorlesung in das Lesezimmer seines Verlagshauses gebeten. K., einigen, nicht allzuvielen, hier kein Unbekannter, stellte sich diesmal nicht als der gefürchtete angriffslustige Essayist, sondern als Dichter und Interpret vor. Er las eine Anzahl eigener Gedichte voller musikalischer Klangschönheit, dichterischer Bildhaftigkeit und rhythmischer Kraft.

Rezension der Volks-Zeitung

Vorlesung Karl Kraus. Gestern abends fand denn die erste der beiden angekündigten Vorlesungen von K. K. im Musikvereinssaale statt, der bis auf das letzte Plätzchen gefüllt war. K. hat im gleichen Saale im Jänner 1914 das letztemal hier vorgelesen, wobei er u. a. auch »Tod und Tango« vorlas, das wir wohl auch längst schon als mehr als eine Satire, als eine Prophetie, erkennen mußten. 1914-1920, was liegt nicht zwischen diesen beiden Ziffern! Als K.

Rezension des Allgemeinen Tiroler Anzeiger

Der Vortrag Kraus war eine Art Konglomeratvorlesung aus »Muskete« und »Arbeiterzeitung« über Krieg, Vaterland und Offiziere. Als der Vortragende in einer sowohl den Anstand als auch das Empfinden jedes Deutschen auf das Empörendste verletzenden Weise den »Wilhelm«, als Urheber des Weltkrieges plastisch gestaltete (!), da brachen laute Entrüstungsrufe los, der Vortrag wurde durch mißbilligende Zurufe unterbrochen.

Rezension des Vorwärts

Karl Krauß, der im überfüllten Bechsteinsaal las und den ganzen Abend lang bejubelt wurde, hat so überaus recht, wenn er behauptet, man müsse Tag für Tag in das vergeßliche Gehirn die Erinnerung an all das Elend, an all die Grausamkeit und Roheit des Krieges kneten, damit denen, die schon erneut sich anmaßenden Ton gestatten, ihr Treiben vorgehalten wird. Und es ist ja auch gewiß recht, daß über allen Wirren des Tages »das Lied der großen Zeit« schon fast aus dem Gedächtnis schwand, so daß nur noch ein verblaßtes gutmütiges Rückschauen vorhanden ist.