Der Vorleser

Der Vorleser

1892/1910 - 1936

Seiten

13. Vorlesung am 15.03.1911

15.03.1911
Prag

[Karl Kraus las  im Zentral-Saal.] In Prag wurde die zweite Vorlesung am 15. März veranstaltet. Nicht von der Deutschen Lese- und Redehalle, die den größten Wert auf die Wiederholung der ersten gelegt hatte. Es mußten damals so viele Leute abgewiesen werden, daß man fürchtete, sie wieder nicht alle unterzubringen, und die, die dabei gewesen waren, schienen von tiefer Reue erfaßt. Vielleicht, weil sie einsahen, daß man, wenn das so weiter ginge, mit mir jeden Abend Erfolg haben könnte, vielleicht weil ein einflußreicher Prager Lyriker es dann »jeden Früh« in der Zeitung hätte lesen müssen.

Rezension des Prager Tagblatt

.... Es kann nicht schaden, wenn in einer Zeit, die aus Mangel an eigener Schöpferkraft allzu Vieles konserviert und »rettet«, einer auftritt, der den Mut hat, traditionelle Werte umzustoßen; Ungerechtigkeiten, die dabei unvermeidlich sind, korrigieren sich rasch und das Positive einer solchen Tat, wenn sie von einem Kraftvollen geleistet wird, tröstet über die Mißverständnisse, die sie bei einem philiströsen Publikum hervorrufen könnte.

Signatur: 
L-137743

Rezension der Novina

Karl Kraus, der Wiener Satiriker großen Stils von wahrer geistiger Keuschheit, las am 15. März im Zentral-Saal einige Arbeiten, nicht mit theatralischer, aber mit dramatischer Verve. Kraus hatte viel durch Wien zu dulden, durch dessen Feuilletonmanieren, Unsauberkeit und Unanständigkeit in geistigen Dingen; — eine herbe Spur all dieses Leidens fühlte man in seinen Arbeiten, unter denen der Aufsatz »Heine und die Folgen« am höchsten stand.

14. Vorlesung am 15.05.1911

15.05.1911
Wien

[Karl Kraus las im Festsaal des Ingenieur- und Architektenvereines.] Am dritten Leseabend (der, am 15. Mai, wieder vom Akademischen Verband für Literatur und Musik veranstaltet wurde) hat der Herausgeber der Fackel Dichtungen seiner Mitarbeiter und eigene Arbeiten vorgelesen.