Der Vorleser

Der Vorleser

1892/1910 - 1936

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Rezension des Mannheimer Tageblatt

[...] Es ist kaum möglich, eine Formel für die Erscheinung dieses zornmütigen Lichtsuchers und Lichtbringers zu finden, der auf den sehr bürgerlichen Namen Karl Kraus hört, — einen Namen, den gewiß Hunderte außer ihm führen und der seit fünfzehn Jahren wie ein Kampfruf klingt. Ein Satiriker? Nein! Ein Volkserzieher! [...] Er hatte das wundervolle Instrument seiner Sprache — und seit ein paar Jahren reißt er zu den Wirkungen des gedruckten Wortes auch die des gesprochenen an sich. Die jungen Menschen in Österreich gehören fast alle ihm.

Rezension des Mannheimer Tageblatt

[...] Die Stunde bei ihm wurde zur Feierstunde. Die wenigen, die gekommen waren, werden sie sicher in dankbarer Erinnerung behalten; für mich wenigstens wurden seine Erkenntnisse und Bekenntnisse zu einer Offenbarung und seine Art, vorzutragen, zu einem Erlebnis. M. T.

[Mannheimer Tageblatt, 16.02.1914 zitiert in: Die Fackel, 395-397, 28.03.1914, 40] - zitiert nach Austrian Academy Corpus

 

Rezension der Volksstimme Mannheim

[...] Aus Alltäglichkeit, Zeitungen, einlaufenden Briefen, Straßengeschrei schöpft dieser Redner, dieser Dichter, dieser Künstler der Sprache ein gewaltiges Werk von selbstverständlichem Spott, der aber durch die Wahrheit der Tatsachen zum entsetzlichen Ernst wird. Wo wir anfänglich noch lachten, erstarrt allmählich unsere Miene zur Scham, einer Zeit anzugehören, die den Anspruch auf Kultur macht, die aber ihre Kultur gerade ins Gegenteil umsetzt.

Rezension der Pfälzischen Post

[...] Der Besuch war eine Blamage für Mannheim, für dasselbe Mannheim, das auf die Ankündigung des persönlichen Auftretens Frank Wedekinds hereinfiel und bei der Aufführung des »Erdgeist« das Theater bis auf den letzten Platz füllte, weil es eine Sensation erwartete. Goethe kannte das Publikum und nannte es halb kalt und halb roh. Es wußte auch mit Karl Kraus nichts anzufangen.

Rezension der Pfälzischen Rundschau

Die Karl Kraus-Morgenfeier am gestrigen Vormittag war, was den kläglichen Besuch anbetrifft, eine Blamage für Mannheim, für die wenigen Teilnehmer war die Feier jedoch ein hoher geistiger Genuß. [...] Aus dem Pathos, mit dem er vorträgt, aus dem sich steigernden Stimmaufwand, mit dem er seine Anklagen hinausschleudert, lodert innere Glut, heftigster Ingrimm, überzeugtester Glauben. Eine überaus starke Persönlichkeit zweifellos, deren überragende geistige Überlegenheit sich jedem, der ihn hörte, mitteilte und die sich jedem als ein Charakter von ungewöhnlicher Qualität einprägt. -r.

Rezension der Neuen Zürcher Zeitung

— — — und kaum ein Stück ging ohne Beifall vorüber, der sich stellenweise sogar zu ungewöhnlicher Stärke verdichtete. — — — Humoristisches, besser: Satirisches — ja, gewiß, das haben auch Andere schon vom Podium aus vorgetragen; aber was hatte das alles zu tun mit dieser Satire, die Dolche und Damaszenerklingen lacht, und die zu AnkIagereden eines Weltrichters emporschwillt. Man denke nur an die ungeheure, hinreißende Steigerung in dem Stück »Die Schuldigkeit«, wo der Mühlstein gewissermaßen beschworen wird, daß er seine Schuldigkeit tue.

Rezension der Chronique Zurichoise

La septième soirée du Cercle littéraire de Hottingen a été une déception pour beaucoup de gens. M. Karl Kraus, l’humoriste viennois qui rédige seul une petite feuille satirique, Le Flambeau, a lu quelques pages de ses œuvres. On a sans doute beaucoup ri et fort applaudi M. Karl Kraus, car il est un diseur émérite qui mime positivement chaque trait de ses propos. Mais ce qui a frappé c’est la pauvreté du fond. Ces articles sont amusants à lire en prenant son café et en fumant un cigare: aIors on peut se divertir des coq-à-l’âne et excentricités qui les émaillent.

Rezension der Heidelberger Neuesten Nachrichten

[...] aus der Banalität des Ereignisses löst Kraus den Anlaß, die Zeit neu zu sehen. Er legt die Welt auf den Seziertisch, und ihn ergreift die Scham, auf eine Erdkugel verschlagen worden zu sein, die vor seinen Fußtritten schon längst hätte desertieren müssen. [...] Immerhin, Karl Kraus macht, daß es dennoch eine Lust sein kann, zu leben. Sein Zorn und sein Haß schenken manchen geborstenen Glauben zurück, und das Gelächter, mit dem er uns begnadet, entspringt zwar tiefstem Leiden, aber es ist von solcher Erhabenheit, daß es befreit [...].

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Rezension des Neuen Mannheimer Volksblattes

[...] gehört zu jener Sorte von bequemen Zeitkritikern, die daraus ein Geschäft machen, die ganze Welt hundsmiserabel zu finden, deren Arbeit aber mit der von möglichst vielen Witzeleien durchsetzten Feststellung, daß alle irdischen Zustände erbärmlich schlecht seien, ihren endgiltigen Abschluß finden. Verbesserungsvorschläge werden unterlassen, weil Aufbauen viel schwerer ist als niederreißen. [...] Daß dabei staatliche und kirchliche Institutionen vor allem als Zielscheibe seiner oft billigen Witze dienen müssen, ist bei einem Kritiker vom Schlage der ‚Fackel‘ seIbstverständlich.