Der Vorleser

Der Vorleser

1892/1910 - 1936

Seiten

Rezension der Bohemia

Karl Kraus in der Lesehalle

Er ist in seine zweite Periode eingetreten und die ‚Fackel‘ in ihren zwölften Jahrgang. Er ist auch nicht mehr der Fackelkraus allein. Er gehört zu den Autoren des Langen-Syndikats, und er protegiert den ‚Sturm‘ .... Er ist Sprachbildner, und er bereist die Städte zweier Monarchien. So kam er, ein Privatgelehrter, auch in unser melancholisches Prag.

Rezension des Prager Tagblatt

Karl Kraus, dessen gestrige Vorlesung in der »Lesehalle« eine Oase in der dürren Einförmigkeit unserer Vortragschronik bildete, hat die Anfänge seiner Popularität der kühnen Polemik zu danken, mit der er vor Jahren gegen geistige Werte anzukämpfen begann, die man in Wien sonst nur stillschweigend anzuzweifeln wagte. Er wirkte durch die Verwegenheit seines Streitrufes und die oft verblüffend witzige Form seiner Satire.

Signatur: 
L-137743

Rezension des Volksfreund Brünn

Karl Kraus, der Herausgeber der ‚Fackel‘, las in der Vorwoche in der »Neuen akademischen Vereinigung«. Karl Kraus — er selbst dürfte es vielleicht übel vermerken — ist ein Programm. Ein Programm, das keine Anhänger werben will und dem man sich dennoch in vielen Punkten willig ergibt.

Signatur: 
L-137743

Rezension des Tagesboten aus Mähren und Schlesien

(Dr. St.) Im kleinen Festsaal des Deutschen Hauses. Eine spanische Wand verbindet das Künstlerzimmer mit dem Vortragspodium. Hinter dieser spanischen Wand kommt Karl Kraus heran, ungesehen vom Publikum, um plötzlich das Podium zu besteigen. Er ist mit einemmal da, im Lichtkreis der Lampe, verbeugt sich kurz und beginnt, nachdem er noch längere Zeit an der Beleuchtung gebessert hat, seine Aphorismen zu lesen. Das ist wie ein unerwarteter Angriff. Ein Pfeilregen ins Publikum. Und man ist noch über dieses plötzliche Losstürzen so verblüfft, daß man die ersten Aphorismen kaum erfaßt.

Rezension des Ton und Wort

In einer Zeit, da man Weichgehirnen, Schmöcken und Durchschnittsqualitäten an vielen baufälligen Altären ranzig gewordene Weihrauchkerzen anzündet, wäre es das gute Recht einer starken Persönlichkeit, auf derlei kritische Parfüms zu verzichten. Es ist aber nicht die Pflicht der allgemeinen kritischen Bekleidungsindustrie, die Uniformlieferung deshalb zu verweigern, weil sich in den Lagerbeständen nichts Passendes findet, oder weil man aufs Maßnehmen nicht eingerichtet ist.

Signatur: 
L-137743

Rezension des Prager Tagblatt

.... Es kann nicht schaden, wenn in einer Zeit, die aus Mangel an eigener Schöpferkraft allzu Vieles konserviert und »rettet«, einer auftritt, der den Mut hat, traditionelle Werte umzustoßen; Ungerechtigkeiten, die dabei unvermeidlich sind, korrigieren sich rasch und das Positive einer solchen Tat, wenn sie von einem Kraftvollen geleistet wird, tröstet über die Mißverständnisse, die sie bei einem philiströsen Publikum hervorrufen könnte.

Signatur: 
L-137743

Rezension der Novina

Karl Kraus, der Wiener Satiriker großen Stils von wahrer geistiger Keuschheit, las am 15. März im Zentral-Saal einige Arbeiten, nicht mit theatralischer, aber mit dramatischer Verve. Kraus hatte viel durch Wien zu dulden, durch dessen Feuilletonmanieren, Unsauberkeit und Unanständigkeit in geistigen Dingen; — eine herbe Spur all dieses Leidens fühlte man in seinen Arbeiten, unter denen der Aufsatz »Heine und die Folgen« am höchsten stand.

Erinnerung von Willy Haas

Daran, daß Karl Kraus in Prag den Eingang zu unseren Kreisen fand, war ich selbst der Hauptschuldige: Ich selbst hatte ihm diesen Eingang weit geöffnet.  Ich hatte damals ein Amt bei einem Prager deutschen literarischen Studentenverein, das mir ermöglichte, Vorlesungen in einem Saal zu veranstalten. Ich lud als ersten Karl Kraus ein, dessen „Fackel“ ich seit Jahren las, und der in Wien ein paar sehr erfolgreiche Vorlesungen aus seinen Schriften gehalten hatte. Karl Kraus kam – es war seine erste Vorlesung im alten Prag.

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